Lagergeschichte und Geschlecht in populären Geschichtsdarstellungen.
29. Arbeitstreffen Forschungen zum Konzentrationslager Ravensbrück unter Einbeziehung der Kategorie „Geschlecht“
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Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück/Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten; Kooperationspartner: Dokumentationszentrum
NS-Zwangsarbeit Berlin; Internationaler Freundeskreis der Mahn- und
Gedenkstätte Ravensbrück e.V.
03.11.2017-04.11.2017, Berlin, Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit,
Britzer Straße 5, 12439 Berlin
Deadline: 13.10.2017
Die Versuche, die komplexe Geschichte des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück zu erzählen, sind zahlreich: Sei es in der Memoirenliteratur, in Filmen, sei es in Form von Romanen, Drehbüchern, audiovisuell dokumentierten Interviews oder – in jüngster Zeit – auch in Comics. In den letzten Jahren sind eine Reihe neuer Ravensbrück-Romane
erschienen, u.a. „Lilac Girls“ (2015) von Martha Hall Kelly oder „Kinderzimmer“ (2014) von Valentine Goby. Auch neue populärwissenschaftliche Darstellungen liegen vor, allen voran der 2015 publizierte, über 700 Seiten umfassende Band der britischen Journalistin Sarah Helm „If this is a woman“, mittlerweile in mehrere Sprachen übersetzt.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was die populären Geschichtsdarstellungen charakterisiert und warum sie so erfolgreich sind. Populäre Diskurse suchen Komplexität zu reduzieren, sie arbeiten mit scharfen Gegenüberstellungen, dramatisieren und verfolgen in der Regel einen moralisch begründeten Anspruch auf Wahrhaftigkeit. Populäre Geschichtsdarstellungen argumentieren mit Hilfe gefälliger Sprachmuster und tradierter Geschlechterbilder, wozu ein Frauenkonzentrationslager offenbar besonderen Anlass zu geben scheint.
Was genau unterscheidet populäre Geschichtsdarstellungen also im Einzelnen von der wissenschaftlich fundierten Befassung mit der Ravensbrücker Lagergeschichte? Welche Geschlechterstereotypen sind virulent, beispielsweise der aus politischen Gründen verfolgten Häftlinge einerseits und der als „asozial“ stigmatisierten andererseits?
Warum sind die Geschlechterbilder, die sich an die weiblichen SS-Angehörigen knüpfen und die vom Bild der blonden Bestie bis hin zum Mannweib reichen, in der europäischen Populärkultur derart weit verbreitet? Welche Kapitel der Ravensbrücker Lagergeschichte erfahren in den verschiedenen Geschichtsdarstellungen stete Neuauflagen und welche Aspekte kommen nur selten bis gar nicht vor?
Das 29. Arbeitstreffen der Ravensbrück-Forschung ist diesen Fragen gewidmet. Thema sind die literarischen Diskurse zu Ravensbrück, aber auch die von ehemaligen Häftlingen verfasste Memoirenliteratur. Darüber hinaus geht es um die Bildproduktionen zu Ravensbrück im Film, im Comic und in den sozialen Medien.
Zur Geschichte dieser Veranstaltung:
Das „Arbeitstreffen Forschungen zum Konzentrationslager Ravensbrück unter Einbeziehung der Kategorie ‚Geschlecht'“ ist aus der im Herbst 1995 gegründeten „Internationalen Frauenforschungsgruppe Ravensbrück – FU Berlin“ hervorgegangen und wurde im Dezember 1997 erstmals im Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin organisiert. Seit März 2011 fungiert die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück als Veranstalter bzw. Kooperationspartnerin.
Im Laufe der Jahre haben sich die Arbeitstreffen zu einem lebendigen Ort des Austausches zwischen Gedenkstättenmitarbeiter/innen, Wissenschaftler/innen und Vertreter/innen von Überlebendenverbänden entwickelt, die zu verschiedenen Themenbereichen arbeiten, die mit der Geschichte des Konzentrationslagers Ravensbrück verknüpft sind.
Bitte melden Sie sich bis spätestens 13.10.2017 bei Sina Niedermeyer für das Arbeitstreffen an (niedermeyer@ravensbrueck.de).
Wichtig: Bitte teilen Sie uns dabei auch mit, ob Sie am Freitagabend am
gemeinsamen Restaurantbesuch (auf eigene Kosten) teilnehmen möchten.
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Freitag, 03. November 2017
bis 11.45 Uhr – Anreise
12.00 Uhr – Führung durch die Sonderausstellung „Zwischen allen Stühlen – die Geschichte der italienischen Militärinternierten 1943-1945“
Daniela Geppert, Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit
13.00 Uhr – Kaffeepause
14.00 Uhr – Begrüßung durch Insa Eschebach, Leiterin der Mahn- und
Gedenkstätte Ravensbrück, und die Organisatorinnen
14.15 Uhr – Einführung
Keynote: Populäre Geschichte und Geschlecht – Eine Einführung
Nina Reusch, Freie Universität Berlin
Moderation: Sina Niedermeyer, Gedenkstätte Ravensbrück/Fürstenberg
15.00 Uhr – Panel 1: Literatur
Ein dunkles Panorama aus Erinnerungsfragmenten: Sarah Helm, Ohne Haar
und ohne Namen
Barbara Distel, München
Resonanzen. Sarah Helms Ravensbrück-Publikation und der digitale
Diskurs
Kristin Witte, Berlin
Moderation: Katharina Zeiher, Gedenk- und Bildungsstätte Haus der
Wannsee-Konferenz
16.30 Uhr – Kaffeepause
17.00 Uhr – Panel 2: Ravensbrück im Internet
Input: „Ungefähr 693.000 Treffer“: populäre und individuelle
Darstellungen von Ravensbrück im Netz
Norman Warnemünde, Gedenkstätte Ravensbrück/Fürstenberg
Repräsentationen von KZ-Gedenkstätten auf Instagram: Dachau und
Ravensbrück
Steffen Jost, KZ-Gedenkstätte Dachau
Moderation: Andrea Genest, Berlin
18.30 Uhr – Gemeinsamer Restaurantbesuch
Samstag, 04. November 2017
9.30 Uhr – Panel 3: Literatur/Teil 2
Das Ende des Schweigens: mit der Übersetzung von Lord Russels „Geißel
der Menschheit“ begann in Italien der Diskurs über das KZ Ravensbrück
Johanna Kootz, Berlin
Geschichten erzählen Geschichte. Das „Kinderzimmer“ von Valentine Goby
Sina Niedermeyer, Gedenkstätte Ravensbrück/Fürstenberg
Moderation: Sabine Arend, Gedenkstätte Ravensbrück/Fürstenberg
10.45 Uhr – Kaffeepause
11.00 Uhr – Panel 4: Zeitzeuginnen
„Monuments in a foreign tongue“: was überlebende ungarische Jüdinnen
über Ravensbrück berichten (und was nicht)
Doreen Eschinger, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung
e.V. an der TU Dresden / HU Berlin
Rosa Jochmann. Politische Akteurin und Zeitzeugin
Veronika Duma, Universität Wien / ZZF Potsdam
Morality of Remembering in the Memory Work Related to Ravensbrück
Sárka Kadlecová, University of West Bohemia Pilsen
Moderation: Insa Eschebach, Gedenkstätte Ravensbrück/Fürstenberg
13.00 Uhr – Mittagspause
14.00 Uhr – Panel 5: Visualisierungen
Ravensbrück im Comic. Zur Pointierung von Seherwartungen in populären
Literaturformen
Andrea Genest, Berlin
Interesse am weiblichen Wort? Ravensbrück-Zeitzeuginnen in filmischen
Repräsentationen nach 1989
Katja Baumgärtner, Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung
e.V. an der TU Dresden / HU Berlin – Zentrum Jüdische Studien
Berlin-Brandenburg
Moderation: Christiane Heß, Gedenkstätte Ravensbrück/Fürstenberg
15.15 Uhr – Kaffeepause
15.30 Uhr – Kurzvorstellung aktueller Projekte
Täternarrative vor Gericht – Erzählen über Dachau, Mauthausen und
Ravensbrück
Dominique Hipp, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
„Aufseherinnenhaus reloaded“ – zur Neugestaltung der Ausstellung „Im
Gefolge der SS“
Simone Erpel, Berlin
Material – Beziehung – Geschlecht. Artefakte aus dem KZ Ravensbrück und
Sachsenhausen (Kooperationsprojekt der Stiftung Brandenburgische
Gedenkstätten und der HTW Berlin, gefördert von der Volkswagenstiftung)
Christiane Heß/Projektteam, Gedenkstätte Ravensbrück/Fürstenberg
Moderation: Doreen Eschinger, HAIT Dresden / HU Berlin
16.30 Uhr – „Hausaufgabe“: Populäre Bilder und Narrative von und über
Ravensbrück
Hier sind alle Teilnehmer/innen gebeten, sich vorab mit populären Bildern und Narrativen zur Lagergeschichte auseinanderzusetzen. Wie entstanden bestimmte „Ravensbrück-Narrative“? Welche Abbildungen werden auf Buchcovern und in Publikationen zum Frauenkonzentrationslager (immer wieder) verwendet – und warum? Gibt es „Gegenbilder“, etwa in geschichtswissenschaftlichen Darstellungen?
Moderation: Johanna Kootz, Berlin
18.00 Uhr – Abschlussbesprechung & Ende der Veranstaltung